Freundschaft aus der Küche - Grillfehde

Cover des Buches Freundschaft aus der Küche – Grillfehde
Cover des Buches Freundschaft aus der Küche – Grillfehde
November 2021
41
978-3755733751

 

Kurz nach den Sommer­ferien trifft die Siebte sich zum gemein­samen Grill­abend. Der Platz ist perfekt, und jeder trägt etwas zu einem richtig bunten Buffet bei. Doch Anna hat längst noch nicht ver­wunden, dass ihr Urteil, wer dazu­gehören darf, nicht mehr be­folgt wird, seit Pauline da ist. Ihr Neid droht allen die Laune zu ver­derben - nur gut, dass Pauline immer noch ein Re­zept in der Hinter­hand hat!

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Das Buch gehört zur Serie Freundschaft aus der Küche

 

Autoren-Plauderei: Zeit­liche Heraus­forde­rung

Bei dieser Ge­schich­te stand ich vor einer beson­deren Heraus­forde­rung: Der An­schluss musste nicht nur nach hinten, sondern auch nach vorne passen. Dass ich in einer Serie nicht etwas schrei­ben will, was den Aus­sagen in früheren Bänden wider­spricht, liegt auf der Hand. Dies­mal hatte ich jedoch den Fall, dass bereits eine Ge­schich­te exis­tiert, die zeit­lich nach Grill­fehde spielt. Dadurch musste ich immer auch schauen, dass ich nichts aus dieser Ge­schich­te vor­weg­nehme; ins­beson­dere keine Er­eig­nisse in Grill­fehde ein­baue, die in Saft weg! so be­schrie­ben sind, dass sie dort zum ersten Mal statt­finden.

Die zweite Stunde am Mitt­woch­morgen war im Stunden­plan der 7c als „Orien­tierungs­stunde“ ver­zeichnet. Das be­deutete, dass sie reser­viert war, um organi­satorische Fragen zu klären, die die Klasse be­trafen. Gab es keine, dann sollte normaler Unter­richt statt­finden, wobei es dem Klassen­lehrer über­lassen blieb, in welchem der beiden Fächer, die er in der Klasse unter­richtete.

Herr Pertel, bei dem die Klasse seit der Fünften Englisch und neuer­dings auch Ge­schich­te hatte, hatte einen Mittel­weg ge­wählt. Er wusste, dass die meisten sich nicht um eine zu­sätz­liche Englisch­stunde rissen, konnte sich aber auch nicht einfach über die Vor­gaben der Schul­leitung hinweg­setzen. Also dachte er sich Spiele aus, mal ein Quiz, mal ein Rollen­spiel, seine Fanta­sie schien keine Grenzen zu kennen. Das alles natür­lich auf Englisch, er meinte, so würden sie sogar mehr Sicher­heit in der fremden Sprache be­kom­men als mit den Lek­tionen aus dem Lehr­buch, und mehr Spaß machte es sowieso.

 

In der letzten Orien­tierungs­stunde war jedoch aus­schließlich Deutsch ge­sprochen worden, denn es war die erste nach den Sommer­ferien gewesen. Neben ein paar Kleinig­keiten hatte die Klassen­sprecher­wahl einen großen Teil der Zeit bean­sprucht. Dabei war Anna zum zweiten Mal in Folge im Amt be­stätigt worden, aller­dings knapper, als sie es sich wohl vor­gestellt hatte.

 

Die Schuld dafür suchte sie wahr­schein­lich bei Pauline, auch wenn sie sich hütete, es öffent­lich auszu­sprechen. Ehr­licher wäre es gewesen, sich an die eigene Nase zu fassen, aber da konnte man bei Anna lange warten.

 

Sie be­stimmte, was Sache war, das war die Rolle, die sie für sich in An­spruch nahm. Nicht alle waren damit ein­ver­standen, aber viele hatten es lange zu­mindest still­schweigend hin­ge­nommen, weil sie nicht selbst in Annas Visier hatten geraten wollen. Anna konnte aus­ge­sprochen garstig sein, und sie war schnell mit einem ver­nichten­den Urteil bei der Hand.

 

Genau diese Er­fahrung hatte auch Pauline ge­macht, als sie im Früh­jahr neu in die Klasse ge­kommen war. Sie hatte vorher in Hamburg ge­wohnt und war mit ihrer Mutter ins Ruhr­gebiet ge­zogen, als die einen neuen Job be­kommen hatte. Anna hatte keine zwei Minuten ge­braucht, um ihr Urteil zu fällen und Pauline zur Außen­seiterin abzu­stempeln.

 

Ihr Krite­rium dafür war leicht er­klärt: das große Gehalt, das Paulines Mutter nicht mit nach Hause brachte. Pauline hatte nicht das Gefühl, arm zu sein, sie hatte alles, was sie brauchte, aber eben nicht von den Marken, auf die Anna fixiert war. Das waren nämlich auch die, die sich ihr Logo auf der Ware teuer be­zahlen ließen, und Geld bloß für einen Schrift­zug auszugeben, konnte und wollte Pauline sich nicht leisten.

 

Die Wende hatte aus­ge­rechnet Paulines Geburts­tag ge­bracht, genauer gesagt der Kuchen, den sie an diesem Tag mit in die Schule ge­bracht hatte. Anna hatte ihn natür­lich runter­geputzt, noch ehe Pauline den Deckel von der Kuchen­platte gehoben hatte. Aus reinem Mit­leid hatte sie trotz­dem ein Stück ge­nommen, so hatte es aus­sehen sollen. Ein Billig­kuchen vom Dis­counter, besten­falls eine Fertig­back­mischung, die haupt­sächlich nach Zucker und Chemie schmeckte, mehr hatte sie Pauline nicht zuge­traut. Sie selbst ließ ihren Geburts­tags­kuchen natür­lich vom Kon­ditor her­stellen, alles andere war unter ihrer Würde.

 

Doch dadurch, dass ihre Mutter arbeiten musste, hatte Pauline früh kochen und backen gelernt, sie hatte Spaß daran und auch Talent. Nicht, dass Anna sich dazu hätte durch­ringen können, ihren Irr­tum ein­zu­ge­stehen, aber ihr Gesicht und vor allem die Ge­schwindig­keit, mit der sie das Stück auf­ge­gessen hatte, hatten sie ver­raten. Da war niemand, der nicht gemerkt hätte, wie gern sie sich noch ein zweites Stück genommen hätte. Aber damit hätte sie sich ja selbst Lügen gestraft, also hatte sie die Faust in der Tasche geballt, ver­zichtet und Pauline viel­leicht gleich noch ein biss­chen mehr gehasst.

 

Während Anna sich lieber die Hand abge­hackt hätte, als zuzu­geben, dass Pauline bei irgend­etwas richtig gut war, hatte einer der Jungen dem Drängen seines Magens nach­gegeben. Robin hatte nicht nur ordent­lich zuge­schlagen beim Kuchen, vor allem hatte er Pauline bei nächster Gelegen­heit nach dem Rezept ge­fragt. Selbst hätte er ihn nicht nach­backen können, seine Er­fahrun­gen in der Küche waren nicht der Rede wert ge­wesen, aber er hätte seine Mutter gebeten, den Kuchen bald einmal nach­zu­backen.

 

Dabei hatte Pauline ihn gleich doppelt zum Staunen ge­bracht. Er hatte nicht gedacht, dass Pauline den Kuchen selbst ge­backen hatte, ohne jede Hilfe, und dann hatte sie noch nicht mal ein richtiges Rezept dafür gehabt. Sie improvi­sierte viel in der Küche und hatte ein gutes Gespür dafür, was funk­tionierte und was nicht.

 

Spontan war daraus die Idee ent­standen, einmal gemein­sam zu kochen, und einen Moment lang hatte Pauline selbst gedacht, dass Robin sie dafür eigentlich nur aus­lachen konnte. Doch er hatte sich auf das Aben­teuer ein­ge­lassen, und es hatte beiden richtig Spaß gemacht. Aus der ein­maligen Sache war eine regel­mäßige Ein­richtung geworden, und Robin der erste Freund, den Pauline in der neuen Heimat gefunden hatte.

 

Zu was sie in der Lage waren, hatten sie am vergangenen Wochen­ende be­wiesen, als sie zu zweit für die Silber­hoch­zeit von Robins Eltern gekocht und gebacken hatten. Eigent­lich hatte ein Party­service den Auftrag gehabt, aber der war kurz­fristig abge­sprungen, und die Kinder hatten es über­nommen, 40 Gäste zu ver­köstigen. Sie hatten die Heraus­forderung hervor­ragend ge­meistert, und sie hatten ge­merkt, dass sie längst mehr als „nur“ Freunde waren.

 

***

 

Die meisten hatten sich wohl auf ein neues Englisch-Quiz ein­gestellt, doch zu ihrer Über­raschung wechselte Herr Pertel nach der üb­lichen eng­lischen Begrü­ßung wieder in die deutsche Sprache. „Nächste Woche Freitag holen wir unseren Grill­abend nach“, ver­kündete er. „Wir haben Glück, dass ein Termin frei geworden ist, eigentlich war der Grill­platz ausge­bucht.“

 

Der Grill­abend hätte eigent­lich schon vor den Sommer­ferien statt­finden sollen, war aber ausge­fallen, weil Herr Pertel auf Klassen­fahrt gewesen war. Das war nicht geplant gewesen, er war einer der Neunten nach­gereist, weil deren Klassen­lehrer während der Klassen­fahrt krank geworden war. Er hatte ver­sprochen, dass der Grill­abend nach­geholt werden würde, wenn es sich irgend ein­richten ließ, aber seitdem hatte er nichts mehr dazu gesagt. Einige hatten die Sache viel­leicht schon ver­gessen, auch Pauline hatte sich damit abge­funden, dass es wohl nichts mehr werden würde. Sie konnte sich gut vor­stellen, dass die städtischen Grill­plätze gut ausge­bucht waren, und einfach irgendwo eine Wiese zu okku­pieren, ging auch nicht. Da be­endete dann ruck­zuck das Ordnungs­amt die Party und verhängte gleich noch ein kräftiges Buß­geld dazu. Wenn es ganz un­glück­lich lief, musste sogar die Feuer­wehr anrücken.