Der Sponsor stellt auf

Cover des Buches Der Sponsor stellt auf
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November 2020
55
978-3752647112

 

Laura spielt schon seit Jahren Fuß­ball, doch nach dem Wechsel in die D-Jugend ist sie wie aus dem Nichts außen vor. Schuld daran ist nur Caro­line, die Neue, die den Platz im Sturm für sich be­an­sprucht. Dabei ist sie gar nicht so gut, auf keinen Fall besser als Laura. Warum stellt Trainer Henk sie trotz­dem immer wieder auf und setzt Laura dafür auf die Bank? Hat es was mit der teuren Limou­sine zu tun, die Caro­lines Vater fährt?

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Autorenplauderei: Zufälle beim Lesen und Schreiben

Wie lange es dauert, bis aus einer Idee eine Ge­schich­te wird, ist bei mir sehr unter­schied­lich. Manche Ideen setze ich sofort um, andere notiere ich mir erst mal nur, und es ver­geht eine ganze Weile, bis ich an­fange, die Ge­schich­te zu schrei­ben. Das kann ganz unter­schied­liche Gründe haben: Manch­mal bin ich noch mit einer anderen Ge­schich­te be­schäf­tigt und will nicht zu viel paral­lel machen, manch­mal fehlt noch etwas, und manch­mal ist mir ein­fach gerade nicht nach dem Thema. Irgend­wann ist dann der Zeit­punkt ge­kommen, eine neue Ge­schich­te anzu­fangen, und ich schaue in meine Ideen­kiste, was ich denn mal hervor­holen könnte.

Auf diese Weise habe ich mir jetzt auch die Idee ge­griffen, die ich vor knapp zwei Jahren noch unter dem Titel Arm und Reich im Fuß­ball­verein abge­speichert hatte. Und rein zu­fällig habe ich damit genau die rich­tige Ge­schich­te zum rich­tigen Zeit­punkt er­wischt: Der Zufall will es, dass sie genau zu dem Zeit­punkt fertig wurde, wo es 50 Jahre her ist, dass der DFB sich dazu durch­gerun­gen hat, Frauen offi­ziell das Fuß­ball­spielen zu erlauben. Ich wusste, dass der DFB sich lange gegen Mäd­chen und Frauen auf dem Fuß­ball­platz ge­sperrt hat, aber das Jubi­läum ist mir auch erst be­wusst ge­worden, als ich schon an der Ge­schich­te saß.

Gut gelaunt strampelte Laura die Straße entlang und folgte an der nächsten Kreuzung dem Schild nach rechts, das den Weg zum Sportplatz des FC Phönix wies. Es war die zweite Woche nach den Sommerferien, und damit hatte auch endlich das Fußballtraining wieder begonnen. Das hatte ihr am meisten gefehlt, zumal sie die ganzen sechs Wochen zu Hause gewesen war. Sie fuhr in den Sommerferien nie in den Urlaub, in der Hauptsaison war es schlicht überall zu teuer. Ihre Mutter hatte Spanisch und Geschichte auf Lehramt studiert, nach dem Abschluss aber nur zwei Jahre als Lehrerin gearbeitet. Dann war Laura gekommen, durchaus geplant – nicht geplant gewesen war aber, dass sich ihr Vater wenige Wochen nach der Geburt dünnegemacht hatte. Dadurch hatte Lauras Mutter nicht so schnell wieder in den Beruf zurückkehren können, wie sie gedacht hatte, und später hatte sie dann keine dauerhafte Anstellung mehr als Lehrerin gefunden. Einige Jahre hatte sie sich und ihre Tochter mit befristeten Vertretungen über Wasser gehalten, dann hatte sie sich etwas grundlegend Neues gesucht. Seit vier Jahren arbeitete sie freiberuflich als Übersetzerin, das machte ihr Spaß, wurde aber nicht gerade üppig bezahlt. Laura hatte alles, was sie brauchte, aber große Sprünge waren nicht drin. In den Urlaub ging es deshalb wenn in den Herbstferien, wenn die Ferienwohnung günstiger und Sparpreise bei der Bahn leichter zu bekommen waren.

Laura war im März elf geworden und ging seit Beginn des neuen Schuljahres in die sechste Klasse. Für ihr Alter war sie durchschnittlich groß, und durch den vielen Sport, den sie trieb, war sie durchtrainiert. Sie legte fast alle Wege mit dem Fahrrad zurück, ging gerne schwimmen, und im Urlaub wanderte sie gern.

Ihr mit Abstand liebstes Hobby war jedoch Fußball. Ein Kindergartenfreund hatte sie neugierig gemacht, da war sie gerade fünf gewesen, und seit dem ersten Probetraining bei den Minikickern ließ sie das Fußballfieber nicht mehr los. Inzwischen gehörte sie in ihrer Mannschaft längst zu den alten Hasen, die meisten anderen hatten erst später mit dem Fußball angefangen. Der Kindergartenfreund, der sie zum Fußball gebracht hatte, war nicht mehr dabei; wahrscheinlich spielte er noch irgendwo, aber er war weggezogen, und Laura hatte keinen Kontakt mehr.

Im Lauf der Zeit hatte sich herausgestellt, dass Laura am besten auf der rechten Außenbahn aufgehoben war. Dort konnte sie ihre Schnelligkeit ausspielen, und mit dem starken rechten Fuß fütterte sie die Mitspieler mit gefährlichen Hereingaben. In den letzten zwei Jahren hatten sie in der E-Jugend auch sämtliche Ecken und Freistöße von der rechten Seite getreten und damit einige Tore vorbereitet. Selbst kam sie dadurch nicht so oft dazu, aufs Tor zu schießen, aber umso größer war dann natürlich die Freude, wenn ihr doch mal ein Treffer glückte. Außerdem hatte sie gelernt, dass in einer Mannschaft alle Spieler wichtig waren, egal, wer am Ende die Tore schoss.

Seit das Training wieder begonnen hatte, gehörte sie zur D-Jugend, der Altersstufe der 11- 13-jährigen. Besonders groß war die Umstellung aber nicht, auch wenn sie jetzt natürlich wieder zu den Jüngeren in der Mannschaft gehörte. Die Hälfte ihrer Mitspieler war im gleichen Jahr wie sie geboren und mit ihr aus der E- in die D-Jugend gewechselt. Die andere Hälfte war ein Jahr älter und deshalb schon im letzten Sommer hochgegangen, aber auch mit denen hatte Laura früher schon zusammengespielt. Neu war nur Felipe, der eine der beiden Torhüter, er war vom TSV gewechselt, um mit Moritz zusammenzuspielen, mit dem er sich in der Schule angefreundet hatte.

Ein großer Umbruch würde für Laura erst in zwei Jahren anstehen. Bisher hatte sie immer mit den Jungs gespielt, meist als einziges Mädchen in der Mannschaft, aber das war nur bis zur D-Jugend erlaubt. Im übernächsten Sommer würde sie also in eine Mädchenmannschaft wechseln müssen, und da der FC Phönix keine hatte, würde sie dafür sogar den Verein wechseln müssen. Da würde sie es am Anfang wohl richtig schwer haben, nicht nur, weil dann alles neu sein würde für sie. Vor allem hatten die meisten Vereine nur eine Mädchenmannschaft, und die ältesten Mädchen würden schon 16 sein.

Aber damit konnte sie sich befassen, wenn es so weit war. Noch durfte sie bei den Jungs spielen, und sie hatte auch keine Ambitionen, vorzeitig zu wechseln, auch wenn sie es seit ein paar Monaten vermied, sich mit ihnen umzuziehen. So, wie es im Moment aussah, brauchte sie sich auch keine Sorgen zu machen, dass sie nicht regelmäßig spielen würde, sie rechnete sich gute Chancen auf einen Stammplatz aus. Die D-Jugend hatte ja auch Spieler verloren, die jetzt in der nächsthöheren Altersstufe spielten, und Laura wusste, was sie konnte. Außerdem hatte sie in der vergangenen Saison schon zweimal in der D-Jugend ausgeholfen, als dort Not an Mann gewesen war, und gute Leistungen abgeliefert.

 

***

 

Als der Trainer, Henk hieß er, auf den Platz kam, war ein Mädchen bei ihm, das Laura nicht kannte. Eine Neue? Auf jeden Fall trug das Mädchen Fußballschuhe und die komplette Kluft des FC Liverpool, und unter dem Arm klemmte ein Ball eines teuren Herstellers. Laura war deswegen nicht neidisch, auch wenn sie selbst sich so teure Sachen nicht leisten konnte. Sie nahm es aber als Hinweis, dass das Mädchen regelmäßig Fußball spielte, denn zum erst mal Ausprobieren würde niemand so viel Geld ausgeben, oder?

Der Trainer rief die Kinder am Spielfeldrand zusammen. „Das ist Caroline“, stellte er das Mädchen vor. „Eure neue Mitspielerin.“

Diese Art der Vorstellung war für eine D-Jugend eher ungewöhnlich. Da kamen die meisten Kinder alleine zum Training, und Neulinge stellten sich selbst vor. So hatte es auch Marco letztes Jahr in der E-Jugend gemacht, er war einfach eine Viertelstunde vor Trainingsbeginn da gewesen und hatte die Spieler, die schon angefangen hatten, zu bolzen, gefragt, ob er mitmachen durfte. Alles Weitere hatte er dann erzählt, während er und die anderen Lorenzo Bälle aufs Tor geknallt hatten.

Das Training begann, und natürlich hatten alle ein Auge auf die Neue. Schließlich wollte jeder wissen, ob sie eine Verstärkung für die Mannschaft war, aber natürlich auch, ob sie einem auf der eigenen Position Konkurrenz machte. Laura stellte fest, dass Caroline gar nicht schlecht war, aber auch nicht so gut wie sie selbst. Außerdem schnappte sie auf, dass Caroline auf die Position ganz vorne im Sturm spitzte – gut, da war sie keine direkte Konkurrentin.